Drücken Sie ESC, um zu schließen

Satoshi Nakamoto und die Cypherpunks: Wer hat Bitcoin wirklich erschaffen?

Einleitung: Warum das „Satoshi-Rätsel“ noch immer lebt

Die Suchanfrage „Wer ist Satoshi Nakamoto?“ ist seit über 15 Jahren nicht verschwunden – nicht weil die Welt nach einer neuen Sensation giert, sondern weil Bitcoin ein seltener Fall ist, in dem die Anonymität des Schöpfers direkt mit der Widerstandsfähigkeit des Systems selbst verknüpft ist. Würde die Identität offengelegt, würde Bitcoin nicht technisch, sondern politisch, rechtlich und historisch angreifbar.

Eine Sache muss von Anfang an klargestellt werden:
Die Frage lautet nicht „welche einzelne Person“, sondern „aus welchem intellektuellen Umfeld und aus wessen Interessen heraus Bitcoin entstanden ist“.

 

1. Vor Bitcoin: eine verborgene Kontinuitätslinie, über die kaum gesprochen wird

Hashcash — nicht nur Anti-Spam

Hashcash (Adam Back) wird meist als „Vorläufer von Proof of Work“ erwähnt. Das ist eine oberflächliche Sichtweise. Eine weniger bekannte Tatsache:

Hashcash wurde ursprünglich als Bestandteil einer zensurresistenten Ökonomie betrachtet — um Massenangriffe und großflächige Kontrolle ökonomisch teuer zu machen.

In frühen Diskussionen auf der Cypherpunks-Mailingliste wurde PoW als politisches Instrument verstanden, nicht bloß als Rechenrätsel.

👉 Bitcoin nutzt PoW nicht, um „das Netzwerk zu sichern“, sondern um Macht zwangsweise zu verteilen. Das ist eine radikal cypherpunkige Idee, keine rein ingenieurtechnische.

Argumente FÜR eine Cypherpunk-Verbindung:
Diese Interpretation von PoW findet sich nahezu ausschließlich innerhalb der Cypherpunk-Community.

Argumente DAGEGEN:
PoW hätte von jeder Person mit Zugriff auf die öffentlich zugänglichen Mailinglisten-Archive neu interpretiert werden können.

 

b-money: ein „gescheitertes“ Projekt, das das Skelett lieferte

b-money (Wei Dai) wird häufig als „unvollendetes Experiment“ beschrieben. Diese Einordnung ist falsch. Ein wenig bekannter Aspekt:

b-money enthielt bereits Konzepte wie Verträge, Reputation und kollektive Kontenführung.

Es fehlte nur eines: eine Lösung für zustandsbasierte Synchronisation ohne Vertrauen.

Bitcoin schließt im Kern genau diese eine Lücke von b-money — das Konsensproblem.

Argumente FÜR eine Beteiligung aus dem b-money-Umfeld:
Die Lösung ist auffallend präzise, als hätte der Autor genau verstanden, warum b-money nicht funktionierte.

Argumente DAGEGEN:
Wei Dai bestritt öffentlich jede Beteiligung und erklärte, er habe erst durch Satoshis E-Mail von dem Projekt erfahren.

 

Bit Gold: unangenehm nah

Nick Szabos Bit Gold ist die unbequemste Tatsache für die Theorie vom „zufälligen Einzelgenie“.

Selten erwähnt:

Szabo beschrieb Ketten von Beweisen, Zeitstempel und die „Kosten der Berechnung“ lange vor BTC.

Seine Texte enthalten die Idee, dass Geld eine Historie von Ausgaben ist und keine Verpflichtung des Staates.

Bitcoin unterscheidet sich von Bit Gold nicht in der Philosophie, sondern in der Umsetzung.

Argumente FÜR Nick Szabo = Satoshi:

  • Nahezu vollständige konzeptionelle Überschneidung
  • Gemeinsames Interesse an der Österreichischen Schule der Ökonomie
  • Ähnliche Formulierungen in Texten — nicht nur Stilometrie, sondern Argumentationslogik

Argumente DAGEGEN:

  • Szabo ist als Denker zu öffentlich sichtbar
  • Er zeigte kaum Interesse an Wartung und Weiterentwicklung von Software, während Satoshi dies eindeutig tat

 

2. Hal Finney: eine entweder unterschätzte oder überschätzte Figur

Bekannt ist: Finney erhielt die erste Bitcoin-Transaktion.
Weniger bekannt:

  • Er gehörte zu den wenigen Menschen, die die Korrektheit der Bitcoin-Implementierung in der Frühphase wirklich prüfen konnten
  • Sein RPoW-Projekt war ein praktischer Versuch, digitale Knappheit zu schaffen — nicht nur Theorie

Ein verdächtiges Detail, über das selten gesprochen wird:

Finney lebte in derselben Stadt wie ein Mann namens Dorian Nakamoto (eine Tatsache). Es gibt keine Belege für eine Verbindung — doch der Zufall ist schwer zu ignorieren.

Argumente FÜR:

  • Technische Kompetenz
  • Ideologische Übereinstimmung
  • Beteiligung von Beginn an

Argumente DAGEGEN:

  • Sein Programmier- und Kommunikationsstil unterscheidet sich von Satoshis
  • Er wirkte eher wie der perfekte erste Nutzer als wie der Architekt des gesamten Systems

 

3. Satoshi als Kollektiv: die Version, über die man ungern spricht

Warum suchen Menschen fast immer nach einer einzelnen Person? Weil ein Mythos so einfacher ist.

Wenig beachtete Hinweise auf kollektive Arbeit:

  • Der frühe Bitcoin-Code zeigt unterschiedliche Programmierstile
  • Einige Architekturentscheidungen wirken wie Kompromisse zwischen Denkschulen
  • Satoshi verschwand genau in dem Moment, als das Projekt sich selbst tragen konnte — typisch für eine Gruppe, nicht für einen Einzelnen

Argumente FÜR:

  • Ungewöhnlich breites Kompetenzspektrum: Kryptografie, Netzwerke, Ökonomie, Spieltheorie
  • „Satoshi“ schrieb nie über persönliche Motive — nur über das System

Argumente DAGEGEN:

  • Keine Leaks, keine Konflikte, keine Koordinationsfehler
  • Für eine Gruppe ist die Disziplin der Anonymität beinahe zu perfekt

 

4. Die Geheimdienst-Theorie: nicht abtun, aber auch nicht blind glauben

„Das ist Unsinn“ zu sagen, ist populär. Aus Forschungssicht ist das falsch.

Argumente FÜR:

  • Die NSA veröffentlichte Arbeiten zu kryptografischen Ketten lange vor BTC
  • Bitcoin ermöglicht transparente Finanzanalysen (Blockchain-Analytics)
  • Die Schwächung nationaler Währungen kann ein geopolitisches Instrument sein

Argumente DAGEGEN:

  • Open-Source-Code ohne Hintertüren
  • Verlorene frühe Coins (≈1 Million BTC) — extrem ungewöhnlich für eine staatliche Entität
  • Vollständiger Kontrollverlust über das Netzwerk

Zwischenfazit:
Falls staatliche Spezialisten beteiligt waren, dann nicht als Staatsprojekt, sondern als persönliche intellektuelle Arbeit.

 

5. Die Theorie der „Cypherpunks, die später für den Staat arbeiten mussten“

Eine der randständigsten, aber zugleich neugierig machenden Versionen.

FÜR:

  • Einige Cypherpunks arbeiteten später mit Unternehmen und Regierungen zusammen
  • Satoshis Verschwinden fiel mit wachsender regulatorischer Aufmerksamkeit zusammen

DAGEGEN:

  • Keine Hinweise auf Zwang
  • Für „Kooperation“ ist ein endgültiges Verschwinden viel zu radikal — und unnötig

 

6. Die am meisten unterschätzte Version: Satoshi als Idee, nicht als Person

Selten diskutiert, aber entscheidend:

Bitcoin könnte bewusst so entworfen worden sein, dass die Autorenfrage zweitrangig bleibt.

Anonymität ist Teil des Protokolls, kein Zufall.

Aus dieser Perspektive ist die Frage „Wer ist Satoshi?“ eine Falle.
Die wesentlich wichtigere Frage lautet: Warum hat das System seinen Schöpfer überlebt?

 

Zwischenzusammenfassung (ohne Schlussfolgerungen)

  • Alle technischen Wurzeln führen zurück zur Cypherpunk-Bewegung
  • Keine Version verfügt über einen endgültigen Beweis
  • Jede Hypothese hat Stärken und Schwächen
  • Bitcoin ist das Ergebnis einer Ideenentwicklung, keine plötzliche Offenbarung

Ich ziehe bewusst keine Schlussfolgerungen.
Dieser Artikel ist eine Landkarte von Argumenten, kein Urteil.

 

Fortsetzung im nächsten Artikel.

Astra EXMON

Astra is the official voice of EXMON and the editorial collective dedicated to bringing you the most timely and accurate information from the crypto market. Astra represents the combined expertise of our internal analysts, product managers, and blockchain engineers.

...

Leave a comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *